Unternehmer sind nicht Künstler, die in erster Linie sich selber verwirklichen, sondern Geschäftsleute, die es verstehen, eigene Investitionen erfolgreich zu bewirtschaften und ein Unternehmen erfolgreich zu gestalten, resp. zu führen. Marketing-Verantwortliche unterstützen Unternehmer in ihren Bemühungen, den Markt, die Kunden und die Konsumenten besser zu verstehen und Massnahmen zu erarbeiten, um das gesamte Unternehmen in optimaler Weise auf die Markt-Bedürfnisse und eine daraus resultierende Ertragskraft auszurichten. Dazu braucht es Analytik, gesunden Menschenverstand – und eine Prise Intuition: Ein Sensorium für das "Menschliche", nämlich die Fähigkeit zu antizipieren, wofür und wozu Menschen eigenes Geld ausgeben. Sinngemäss kann der erste Teil so zusammengefasst werden: Marketing-Know-how unterstützt Unternehmer darin, eine angemessene Rendite auf getätigte Investitionen und eingegangene Risiken zu erzielen. Die Wirkung des Marketings ist messbar. Darum braucht es im Marketing keine Künstler.
Der zweite Teil lässt sich in einem Satz so zusammenfassen: Wir alle handeln, ob wir wollen oder nicht, mehrheitlich emotional und unbewusst. Das klingt für aufgeklärte Menschen brutal; die Ratio, das Bewusstsein scheint nicht Ursprung, sondern vielmehr Folge getätigter und gedanklich verarbeiteter Handlungen zu sein. Aus Erfahrungen Erkenntnisse zu formulieren und danach zu handeln, macht im humanistischen Weltbild Mensch-Sein aus – diese kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten sind aber nicht unbedingt bezeichnend für Kunden und Konsumenten (siehe Kasten): Hinter (Kauf-)Handlungen stehen eindeutig unbewusste (biologische?) Abläufe! Nicht von der Ratio, sondern vom Emotions- und Motivsystem der Kunden/Konsumenten gehen Kauf entscheidende Impulse aus. Die individuelle Ausprägung gemachter Erfahrungen sowie in die Zukunft projizierte, ersehnte Wünsche ("Prinzip Hoffnung") spielen gleichermassen eine wichtige Rolle! Es sind also Emotionen und Motive, die bezüglich Beurteilung eines Marktangebots Regie führen. Konsequenz: Angebote werden nicht so beurteilt, wie sie sind, sondern so, wie der Beurteilende denkt, dass sie sind. Je näher demnach ein reales Angebot in der Wahrnehmung des Kunden/Konsumenten den eigenen Idealen kommt, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit einer positiven Einstellung dazu, beziehungsweise eines Kaufs. Da Produkte zunehmend austauschbarer werden, wird es immer schwieriger, einen Logenplatz im Kopf des Kunden zu besetzen. (Wenn alle Jogging-Schuhe gleich sind, und alle Autos nicht mehr als eine Kiste mit Motor und vier Rädern zwecks Fortbewegung, dann entscheidet die Marke, Adidas oder Nike, Audi oder Toyota, ein Versprechen, eine Emotion, an die wir uns in unserer Orientierungslosigkeit gerne halten.) Wie Erkenntnisse aus der Verhaltens- und Motivanalyse zeigen, sind es in der Regel nur wenige wichtige Kriterien, anhand derer Kunden/Konsumenten Leistungen wahrnehmen und beurteilen. Diese wenigen, aber entscheidenden Kriterien zu kennen ist für die Differenzierung und Positionierung im Markt lebenswichtig! Aus diesem Grund darf der eigene Instinkt nie eine gründliche Positionierungsanalyse ersetzen: Wer die eigene Positionierung finden resp. verändern will, muss zuerst wissen, wie er von seinen Kunden positioniert wird. (Übrigens: Unternehmen, die ihre Positionierung überprüfen, sind oft erstaunt darüber, wie Kunden sie im Vergleich zu ihren Mitbewerbern sehen... Leserservice: Die unterschiedlichen Positionierungs-Strategien und -Methoden können unter welcome@meili.ch kostenlos angefordert werden.) Erst die aus Kunden-/Konsumentensicht bestätigte Differenzierung und Positionierung im Markt erlaubt es, Werte zu vertreten, sie monetär zu quantifizieren (Pricing) – und schliesslich als Gewinn abzuschöpfen.
Es gibt keine einmal kreierte und ewig währende Positionierung; auch Werte überholen sich im Laufe der Zeit. Eine nachhaltige Positionierung gelingt, wenn sie immer wieder angepasst und revitalisiert wird. Gerade Werte wie Gesundheit oder Schönheit, die im Fitnessmarkt eine Rolle zu spielen scheinen, wandeln sich nicht nur von Generation zu Generation, sondern innerhalb eines Menschenlebens. Und zwar nicht nur bezogen auf das Alter, sondern auch bezogen auf die soziale Entwicklung (einnehmen verschiedener Rollen wie Junggeselle, Freund/Partner, Familienvater etc…) oder bezogen auf die Kaufkraft (arm, reich) und natürlich auf das Geschlecht. (Eine gewisse Fluktuation ist also wichtig, um als Unternehmer gezwungen zu bleiben, weiterhin aufmerksam das Marktgeschehen zu beobachten.) – Kernfragen: Wen soll ein Produkt oder eine Dienstleistung ansprechen? Welche ganz konkreten Werte sollen hoch gehoben – und wie sollen sie abgeschöpft werden? Wie, mit welcher Strategie lässt sich auch auf lange Sicht die angemessene Rendite erzielen?! Befassen wir uns nun übungshalber mit den in der letzten Ausgabe vorgestellten fünf Fällen. Welches Produkt kommt am klarsten zum Konsumenten hinüber, welches erzielt wohl die grösste Rendite? – Was sagt Ihre nüchterne Analysefähigkeit, und was Ihr Bauchgefühl?
Das Sich-Positionieren ist nicht einfach. Hier trennt sich der Unternehmer/Geschäftsmann vom Künstler. (Wobei es durchaus Künstler gibt, die im Laufe ihres Schaffens mehr und mehr Unternehmer werden und aus monetären Gründen ihre "Kunst-Werke" (Produkte) dem Geschmack potenzieller Kunden/Konsumenten annähern – in der Regel sind Künstler aber der Zeit voraus und werden erst erkannt und "erfolgreich", nachdem sie gestorben sind.) Fitness-Unternehmer, die Mühe bekunden bei der Positionierung und dabei nicht radikal genug vorgehen (können), sind im philosophisch besten Sinn mit mindestens einer Künstler-Ader versehen. Sie sind derart von einer Eingebung getrieben, die Welt mit ihrer Überzeugung zu beglücken, dass sie es nicht fertig bringen, bereits getätigte Investitionen geschäftsmässig, also rentabel zu betreiben. Diesen Menschen ist es trotz immensem Engagement nicht vergönnt, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. (Nebenbei bemerkt: Sie machen es auch einem Marketing-Berater nicht einfach und gelten in der Branche als "nicht beratungsfähig". Das ist nicht despektierlich gemeint, zeigt aber deutlich, dass es notwendig ist, die Rückmeldungen des Marktes und die konkreten Kunden- und Konsumentenbedürfnisse als Richtschnur wenigstens zu akzeptieren.)
Fitness-Unternehmer (nicht -Künstler!) haben den Auftrag, Gewinn zu erzielen. Darum müssen sie sich hin und wieder lösen von "ihrem Kind" und das einstmalige Fitnesscenter dem Geschmack, resp. den Bedürfnissen einer klar definierbaren Zielgruppe angleichen. Da heisst es, über den eigenen Schatten zu springen und konsequent in die Rolle eines Geschäftsführers zu schlüpfen. Sind die zu vertretenden Werte mit oder ohne externe Hilfe bestimmt, können sie genau quantifiziert, also in Geldwerten ausgedrückt werden. Nun erst, auf Grund klarer Business-Konzepte, erfolgt die Entscheidung, ob man als Unternehmer auf diesen oder einen anderen Wert setzt. Aber bitte immer nur einen Wert "besetzen". Das bündelt die Kräfte, macht kompetent, glaubwürdig. Alles andere verunsichert Kunden und Konsumenten, gerade im Fitnessmarkt. Hat man sein Geschäft eindeutig positioniert, kann man die entsprechenden Werte klar und verständlich kommunizieren. (Die Kommunikation ist also die Folge einer marketingorientierten Unternehmensführung, nicht ihr Anfang!)
Ein Beispiel mag diesen Gedanken verdeutlichen: In meiner Heimatstadt Basel gibt es einige praktisch austauschbare Fitnesscenter. Sie unterscheiden sich durch das Interieur, durch die Preise und durch die Unternehmerpersönlichkeiten, die dahinter stehen. Aus der Sicht der Kunden/Konsumenten ist das jedoch einerlei, das heisst: Diese Fitnesscenter, die ja auch noch so heissen, buhlen um dasselbe Stück vom Kuchen und behindern sich gegenseitig. Sie unterscheiden sich darum nicht wirklich, weil ja die Kunden/Konsumenten – wie oben bereits formuliert – die Fitnesscenter nicht so beurteilen wie sie sind, sondern wie sie denken dass sie es sind. – Dieses Denken gilt es mit intelligentem Marketing zu beeinflussen! Mit einer klaren Positionierung kann man Menschen erreichen. Für klare Positionen interessieren sie sich, und erst was sie interessiert, nehmen sie wirklich wahr (und glauben an ihre Wahrnehmung). Warum teilen sich diese Fitnesscenter in Basel nicht einfach die möglichen Positionierungsfelder auf – und erweitern gleichzeitig die einzelnen Stücke des Kuchens ein wenig?! Eines ist für die Alten; eines nur für Männer; eines nur für Mamis mit Kindern bis 12; eines fährt Trittbrett auf der vorgespurten Schiene von Kieser; eines bietet genau das Gegenteil an, nämlich Ausdauer, denn "ein starkes Herz kennt keinen Kummer (vom Arzt empfohlen)"..., usw... Dann hätte auch das reine Body-Building-Studio wieder seinen Platz und einen befriedigenden Marktanteil.
Natürlich ist der Fitness-Markt ausserhalb Basels vernünftig strukturiert; dort findet die Differenzierung statt, dort kann sich die Kundschaft einfach und klar orientieren, dort florieren alle aktivierenden Gesundheitsdienstleistungen. Dort werden Werte geschaffen – und geschöpft... Falls wider Erwarten doch nicht, muss vielleicht das eigene Produkt noch einmal unter die Lupe genommen und von (potenziellen) Konsumenten gespiegelt werden. Wer differenziert sich – und wer hat den Mut, sich festzulegen, Profil zu gewinnen, Kompetenz auszustrahlen, und sich entsprechend zu positionieren? Wer seinen Weg gefunden hat, wer unter Umständen als Unternehmer über den Schatten des Künstlers in sich gesprungen ist, beginnt Werte abzuschöpfen. Und macht Gewinn. Dann, ja dann wird diese Unternehmerpersönlichkeit als nächstes versuchen, die Rentabilität zu optimieren und darum die gesamte Wertschöpfungskette seines Unternehmens genauer anzusehen.
Davon dann mehr im nächsten Heft.