Marketing V

Marketing orientiert sich an den Bedürfnissen der Kunden/Konsumenten, und befriedigt sie renditeorientiertvon

von Daniel Louis Meili

Im letzten Artikel (Heft 101) haben wir das Optimieren der Wertschöpfung mit auf einander abgestimmten Elementen (Produkten/Dienstleistungen) diskutiert. Frage: Welche Wertschöpfungs-Strategie verfolgt Ihr Fitness-Unternehmen?

A: Operieren Sie nach dem Prinzip, dass jede einzelne Leistung ihren Preis hat und dem Konsumenten auch fakturiert wird? Rentiert Ihr Betrieb? Bravo, dann haben Sie Konsumenten angesprochen und gewonnen, die genau wissen was sie wollen, und Sie haben Leistungen entwickelt, die ihren Preis wert sind. Sie müssen nicht mehr weiter lesen; pflegen Sie Ihre Kundschaft!

B: Machen Sie es sich so einfach wie "Kieser": Ein "starkes" Produkt und nichts als dieses eine starke Produkt, allenfalls ergänzt durch hochpreisige (medizinische) Leistungen. Aber keine Sauna, keine "Beauty", keine Mode, kein Firlefanz – klare Problem- und Bedürfnisfokussierung. Wenn Sie es so machen, dann spitzen Sie weiterhin die Ohren und passen Sie das Unternehmen subtil den allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen an, ohne Ihre Erfolgsformel über den Haufen zu werfen. (Auch Sie müssen nicht mehr weiter lesen.)

C: Gleicht Ihre Geschäftsstrategie einem Buffet, bei dem sich die Konsumenten mit einem Einheitspreis/Abo alle Leistungen nach Belieben herauspicken können? Dann wird es vermutlich schwierig sein, die einzelnen Glieder der Wertschöpfungskette auf ihre Rentabilität zu überprüfen. Zusatzfrage 1: Warum haben Sie auf dieses Modell gesetzt? Zusatzfrage 2: Kraft, Cardio, Kurse, Sauna, "Wellness"…, was will Ihre Kundschaft tatsächlich? Zusatzfrage 3: Mit welchen Bedürfnis-Befriedigungsmassnahmen erzielen Sie bei welcher Kaufkraft-Gruppe die besten Resultate? – Wenn Sie als Betreiber einer Fitnessanlage diese Zusatzfragen nicht schlüssig beantworten können, und dennoch eine angemessene Rendite erzielen, sind Sie entweder ein Glückspilz oder mit unternehmerischem Talent gesegnet. (Egal ob Glückspilz oder messerscharf berechnendes Unternehmertalent – schicken Sie mir eine E-Mail, ich möchte Sie unbedingt gerne kennen lernen!)

Für alle, die dem Erfolg im Fitnessmarkt erst noch zum Durchbruch verhelfen möchten: Was verkaufen Sie Ihrer Kundschaft tatsächlich? Fitness? Gesundheit? Wohlbefinden? Kontaktmöglichkeiten? – Was ist das Kernprodukt, und welcher Wert steckt dafür beim von Ihnen ausgewählten Publikum darin? Wie sieht das formale Produkt aus; wie vielschichtig ist es und warum? Gibt es darum herum erweiterte Produkte, die sich harmonisch um den zentralen Kern schmiegen? – Die Frage nach dem Produkt ist zentral (siehe Kasten und Grafik) und es fällt auf, dass dem Phänomen "Services" eine zunehmend gewichtigere Bedeutung zukommt.

Services sind ein wesentlicher, wettbewerbsentscheidender Teil der Marketingstrategie

Services sind die beste Möglichkeit, richtig Geld zu verdienen. Beispiel Automobil: Heute sind beim Kauf eines Autos etwa 30% Serviceleistungen. War ein Auto einst eine Kiste mit Motor auf vier Rädern, gewann es mit der Zeit (und mit Markenversprechen) an Prestige und damit an Mehrwert. Diese Zeiten sind im Umbruch; heute heisst das Kernprodukt Mobilität. Mobilität, gebunden an eine Kiste mit Motor auf vier Rädern; Mobilität, möglichst uneingeschränkt, jederzeit verfügbar, mit Garantien im Schadenfall, ergänzt durch kreative Finanzierungslösungen. Oder Beispiel Mobiltelefonie: Rund 80% der Umsätze sind reine Serviceleistungen. Mit anderen Worten: Nur 5% der Erträge werden aufgewendet für Sende-/Empfangsleistungen sowie Antennenanlagen, und 15% für Handies! – Wie sieht es in der Fitnessindustrie aus? Wie gross ist der Service-Anteil an den einzelnen Fitness-Produkten? Eigentlich müsste er noch höher sein als bei der Mobiltelefonie. Müsste...

Was genau sind Services oder Dienstleistungen, wie lassen sie sich definieren? Das wichtigste Merkmal einer Service- oder Dienstleistung ist, dass sie sich nicht stapeln lässt. Das tönt banal, ist aber entscheidend: Sie können die Dienstleistung "Fitness-Vermittlung" nicht lagern. Ein weiteres Merkmal ist, dass sie 1:1 erbracht wird, weil: die Dienstleistung als Produkt wird im gleichen Moment produziert, wie sie konsumiert wird. Das hat Konsequenzen!

Wenn Sie sich als Unternehmer mit Ihrer Kundschaft intensiv auseinander gesetzt haben, wissen Sie ganz genau, wann sie was, wie, zu welchem Preis konsumieren möchte. Darauf hin geben Sie ein Versprechen ab (Kommunikation), das Ihnen das Geld der Konsumenten in die Arme treiben soll. Als Autohersteller versprechen Sie beispielsweise, dass das Auto in den nächsten drei Jahren nie eine Panne hat. Natürlich sind Sie sicher, dass Ihr Produkt auch nahezu perfekt ist. Dennoch kalkulieren Sie einen "Mobilitätsfaktor" hinzu, eine Art Preisaufschlag, der dazu dient, allfällige Immobilität (durch eine Panne) umgehend und zur vollsten Zufriedenheit des Kunden zu beheben – schliesslich wollen Sie als Unternehmer glaubwürdig bleiben. Diese Garantie, diese in Aussicht gestellte Serviceleistung, die der Kundschaft jederzeit volle Mobilität gewährt, wird zum Wettbewerbsfaktor erster Güte und übertrumpft selbst Status und Prestige bis anhin top-gesetzter Marken (resp. diese Mobilitätsgarantie wird selbst zur Marke > Leader: Toyota/Lexus).

Weiter entwickeln Sie Finanzierungslösungen, z.B. super Leasing-Angebote, die Sie selbstverständlich auch bereits im Preis einkalkuliert haben (> Leader: GM). Damit erhält auch die Kundschaft mit knapper Kasse einen (scheinbaren) Mehrwert, nämlich kaum spürbar reduzierte Cash-Verfügbarkeit: ein weiteres Wertschöpfungselement. Wenn es Ihnen als Autohersteller also gelingt, die Gesamtkosten inkl. Services unter den reinen Auto-Gestehungskosten Ihrer Mitbewerber zu halten, und wenn die Autos tatsächlich wie am Schnürchen laufen (der Mobilitätszuschlag also als Gewinn verbucht werden kann) und die Kunden nicht gross um den Preis feilschen: Bingo! – Und nach einem normalen Auto-Lebenszyklus (der bekanntlich mehr durch Mode-Erscheinungen als durch technische Limiten bestimmt wird) können Sie durch eine entsprechende Preisgestaltung der neuen Modelle den offerierten Mehrwert, der sich mittlerweile herumgesprochen hat, zusätzlich abschöpfen. Das wäre perfektes Pricing.

Ohne Services wäre das nicht möglich gewesen. – Nun müssen Sie nur noch dafür sorgen, dass das Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort zum richtigen Preis verfügbar ist (Distribution). So macht Marketing Spass.

Als Anbieter von Mobiltelefonie(dienst) leistungen werden Sie dafür sorgen, dass sich die Kundschaft mit Handy ganz einfach besser fühlt als ohne. Ihre Kommunikationsziele: Jungen, beziehungshungrigen Menschen machen Sie glaubhaft, dass sie dank genau diesem poppigen Handy mit Flirtmöglichkeiten geradezu überhäuft werden; Geschäftskunden suggerieren Sie, dass ihnen dank jenem anthrazitfarbenen, technisch raffinierten Handy neue Businesskontakte förmlich durch den Äther zuflattern; und "glücklichen", also auf emotionaler Sparflamme kochenden Haus- oder Berufsfrauen versichern Sie, dass sie dank dem neuen rosafarbenen Handy mit der einfachen Bedienung jederzeit Trost bei Freundinnen finden… – Die effektiven Gesprächs(herstell)kosten sind bekanntlich immer gleich tief, aber es gelingt Ihnen durch segmentierte Preismodelle die Gesprächsvolumen zeitlich zu staffeln/steuern (optimierte Netzauslastung), und gleichzeitig den jeweils höchstmöglichen Ertrag zu erzielen (wobei die Kundschaft – Sie kennen ja deren IQ – weiter davon träumen darf, "besonders" günstig zu telefonieren...). Zusätzlich offerieren Sie "unentbehrliche" Spiel-, News-, Wetter-, Börsen-, Sportresultat- und Horoskop-Services. Ihr einziges Risiko, die Glaubwürdigkeit zu verlieren: das Netz bricht zusammen. Aber das sind geringe Risiken, womit wir bei einem weiteren lukrativen Service-Markt angelangt wären: Versicherungen. Was wird einem da nicht alles versprochen? Sind nicht bei den Versicherungen die am besten bezahlten Mathematiker am Werk? Zufall? Und mit einem Blick auf die lukrativsten, nahezu lupenreinen Servicebranchen: wie sagten doch die Gründer von "Yahoo" über ihre Geschäftsphilosophie? "Die Menschen verbinden unseren Service mit Emotionen. Wir kriegen sie mit der Erwartung, Spass zu haben."

Wie geht nun die Fitnessindustrie mit Services um? Hat sie bemerkt, dass sie einen wichtigen Pfeiler im Marketingkonzept darstellen? (Siehe Grafik in Heft 100, Seite 260) – Marketing ist Chefsache und Teil der strategischen Unternehmensführung. Wer die Kunden- und Konsumbedürfnisse genau kennt, kann sein Kernprodukt dank Marketing-Know-how massschneidern, entsprechende Services kreieren, eine auf einander abgestimmte Wertschöpfungskette knüpfen und dem Geld, das die Konsumenten mit viel Freude für das Befriedigen ihrer Bedürfnisse ausgeben, entgegengehen und es mit gutem Gewissen einsammeln. So können Sie die Frage nach der eigenen Zukunftsfähigkeit auf den einfachen Punkt bringen: bieten Sie Lösungen an oder verkaufen Sie noch?

Was den Unterschied im Fitnessbereich ausmacht, lesen Sie im nächsten Heft.


Was ist ein Produkt?


Ein Produkt ist vielschichtig, im Grunde nie zu Ende entwickelt –und wenn man einen weiteren Entwicklungsschritt vornimmt, sind alle Eigenschaften zu einem neuen, harmonischen Ganzen zusammen zu fügen. Aber Obacht: Die Veränderung des Kern-produktsbedeutet, dass ein neues Produkt geschaffen wird. Kundenbedürfnisse leiten uns dabei.

Umfassender Produktbegriff (nach Kotler/Seiler, ergänzt durch Daniel Louis MeiliOktober 2005)


Das Kernprodukt beantwortet die Frage, was denn eigentlich gekauft wird. Wichtig ist einzig das Kaufmotiv des Kunden/Konsumenten. So erwirbt er letztlich nicht nur einen Fotoapparat, sondern die Freude am Fotografieren – er will Erinnerungen festhalten und vielleicht sogar eine Art von Unsterblichkeit erreichen. Oder, um es am Beispiel des Bohrers zu verdeutlichen: gekauft wird im Grunde nicht das Werkzeug, sondern das Loch im Holz, im Metall oder in der Wand.

Ein Kundenbedürfnis liesse sich mit einer Vielzahl von Mitteln befriedigen, an die man im ersten Moment gar nicht denkt: Ein Loch im Metall entsteht beispielsweise auch durch Stanzen, oder durch Ausbrennen (Laser) etc… So gesehen "verkauft" der Marketingverantwortliche nicht Produkteigenschaften, sondern vielmehr Kernvorteile*.

Auf der nächsten Ebene finden wir das formale Produkt, die konkrete physische Einheit, die unmittelbar als Kaufobjekt erkannt wird wie Lippenstifte (Kernprodukt Schönheit und/oder begehrt sein) oder Zahnpasta (für gesunde, schöne Zähne), etc… Zum formalen Produkt zählen auch Qualitätsniveau, Styling, Markenname und Verpackung! – Und nochmals eine Ebene weiter finden wir das erweiterte Produkt, die Gesamtheit aller Vorteile, die der Käufer mit dem formalen Produkt erwirbt oder erfährt. Spätestens hier kommen Services oder Dienstleistungen (Installation, Schulung, Beratung, Garantien etc…) zur Geltung.

Produkte können greifbare Gegenstände sein, vermehrt aber auch Dienstleistungen (siehe Haupttext) sowie Ideen oder Personen, die gegen Entgelt angeboten werden: Ein gutes Abendessen, die Beratung des Steuerexperten, der rasch organisierte Babysitter oder die Taxifahrt – das alles sind Produkte (nach Armin Seiler, BWL in der Praxis IV, 2001).

Spannend und im Rückblick auf den Text "Wertschöpfungskette" (Fitness Tribune Heft 101) werden die Verknüpfungen von Produkt-Ebenen und dem so genannten Systemverkauf: Das Unternehmen Xerox bietet beispielsweise nicht nur einen Kopierapparat an (Kernprodukt: Blätter vervielfältigen können), sondern ein ganzes System, das unter anderem die Marke, Garantien und Reparaturservices umfasst. Gerade im Fitnessmarkt können Systemverkäufe eine kreative Möglichkeit darstellen, die Rentabilität markant zu verbessern.


* Dieses Herausfiltern von Kernvorteilen ist, in aller Bescheidenheit, einer der Gründe, warum externe, unabhängige Marketing-Berater hinzugezogen werden: Erst durch das Erkennen und präzise Formulieren von Kernvorteilen kann ein Produkt überhaupt gestaltet, kann eine harmonische Kette von Wertschöpfungselementen geknüpft und systemorientiert, resp. bedarfsgerecht, angeboten werden.


Fitness Tribune
Nr. 102 / S. 86-89